Beitrag Davoser Zeitung vom 01.02.19, Barbara Gassler: Die tote Zeit in Davos mit einem Lauf in Asien überbrückt
Ultratrail Vibram 100 Hongkong
Es passte einfach alles zusammen: Gerade ist keine Wettkampfsaison für die Langstreckenläuferin Jasmin Nunige, wegen des WEF ist ihre Massagepraxis geschlossen und das Angebot ihres Sponsors Adidasterrex lag auf dem Tisch: Teilnahme an Vibram Hongkong, dem 1. Lauf der diesjährigen Ultra World Tour, einer weltweit ausgetragenen Serie von Läufen von über 100 Kilometer.
«Das Leben als Teil eines Teams ist deutlich einfacher», sagt Nunige rückblickend. «Ich brauchte lediglich den Weg nach München zu finden, von da an wurde für den Rest der Woche für mich übernommen.» Auch auf zwischenmenschlicher Ebene machte Nunige ganz neue Erfahrungen. «Ich teilte das Zimmer mit einer 24-jährigen Chinesin. Sie war zum ersten Mal im Ausland und unglaublich nervös.» Also war es an Nunige, sie ein bisschen zu bemuttern. «Mit Google-Translate allerdings, sie war keiner Fremdsprache mächtig.» Mit einer russischen Teamkollegin wiederum, machte sich Nunige am letzten Tag des einwöchigen Aufenthalts in Hongkong auf zum Shoppen. Ein gute Entscheidung. «Mir passten alle Hosen auf Anhieb», lacht die zierliche Sportlerin. Ein spezielles Erlebnis war der Abstecher ins Lingerie-Geschäft von Victorias Secret. «Ohne die jeder Kundin persönlich zugeteilte Verkäuferin wären wir in dem über vier Stockwerke gehenden Laden verloren gewesen.» Nunige liess sich auf das Spiel ein wurde selbstverständlich fündig. «Endlich wieder einmal ein BH, der wirklich passt.»
Was sie in der Metropole jedoch am meisten beeindruckte, war die schiere Masse an Menschen. Dennoch sei alles sehr sauber und gepflegt. Sie habe keine Bettler, Obdachlose oder streunende Hunde entdecken können. «Reich und arm wohnen in angrenzenden Quartieren unmittelbar nebeneinander», erzählt sie. Auf diesen Ort wollte sie sich einlassen und tauchte bei verschiedenen Stadtbummel ein in die fremde Welt. Die Essensauslagen in den kleinen Strassen konnten sie jedoch nicht überzeugen. «Da wird man ganz schnell zum Vegetarier.» Dennoch wollte sie von ihrem Besuch in der Asiatischen Metropole so viele neue Eindrücke mitnehmen wie möglich. «Ich liess mich treiben und landete in einer der zahllosen Suppenküchen, wo man für dreimal nichts, ganz hervorragende Mahlzeiten bekommt.» Suppen und andere Lebensmittel waren es auch, was sie für Zuhause einkaufte. «Schliesslich will ich ausprobieren, was ich noch nicht kenne.»
Auch von sportlicher Seite her war der Abstecher nach Hongkong durchaus erfolgreich. «Ich wurde 6. bei den Damen und 30. im Gesamtklassement.» Und das in einem Feld von rund 2500 Läufern. «Der chinesische Markt ist riesig. Daher das Interesse unseres Sponsorenmit einer frühlingshaften aber tüppigen16 Grad über die die Metropole umgebenden Hügel. «Von unserem Hotel im Hafenviertel aus fand man sich nach einem fünfzehnminütigen Fussmarsch in der Wildnis wieder», erzählt Nunige. «Über die ganzen 103 Kilometer Lauf kamen wir nie in städtisches Gebiet. Hingegen waren drei Strandabschnitte zu überqueren.» 400 Höhenmeter rauf und dann wieder 300 Höhenmin eter runter, dieses ständiges auf und ab war das Kennzeichnende des Laufes, insgesamt mehr als 5000Höhenmeter rauf und runter. «Eigentlich mag ich das ja. Was mich umbrachte, waren die Treppen.» Denn die steilen Flanken der Hügel werden grösstenteil über Treppenstufen erschlossen. «Tausende müssen das sein», stöhnt Nunige. «Sie zwingen dir einen Rhythmus auf, bestimmen deine Schrittlänge.» Dennoch, auch wenn sie keinen Platz im Gesamtklassement der Ultra World Tour anstrebt, die Teilnahme an einem weiteren Ultra Lauf könnte sich die Langstreckenläuferin durchaus vorstellen.